Tag 73: Wenn Ihr Angehoeriger Sie nicht mehr erkennt: Umgang mit Trauer und Verlust
- leyroutz
- 7. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
Als Gerontopsychologin begegne ich immer wieder Menschen, die einen der schmerzhaftesten Momente im Leben mit einem demenzkranken Angehörigen erleben: den Moment, in dem sie nicht mehr erkannt werden. Diese Erfahrung löst eine besondere Form der Trauer aus – eine Trauer um jemanden, der körperlich noch anwesend ist, aber emotional und kognitiv zunehmend entfernt wirkt.
Der Schmerz, den Sie in diesen Momenten empfinden, ist real und berechtigt. Was Sie erleben, nennen wir in der Fachwelt "antizipatorische Trauer" oder "Trauer vor dem eigentlichen Verlust". Ihr Gehirn und Herz verarbeiten bereits eine Form des Abschieds, während Ihr Angehöriger noch bei Ihnen ist.
Viele pflegende Angehörige berichten mir von Schuldgefühlen, die mit dieser Trauer einhergehen. "Darf ich trauern, wenn mein Vater doch noch lebt?" fragte mich kürzlich eine Tochter. Meine Antwort ist immer: Ja, diese Trauer ist nicht nur erlaubt, sondern ein wichtiger Teil Ihres Verarbeitungsprozesses.
Wie können Sie mit dieser besonderen Form der Trauer umgehen?
Benennen Sie Ihre Gefühle: Erlauben Sie sich, den Schmerz anzuerkennen und auszusprechen – sei es in einem Tagebuch, in einer Selbsthilfegruppe oder im Gespräch mit einem Therapeuten.
Finden Sie neue Wege der Verbindung: Wenn die kognitive Erkennung nachlässt, bleiben oft emotionale und sensorische Verbindungen bestehen. Musik, Berührung, vertraute Gerüche oder gemeinsame Aktivitäten können Brücken bauen, auch wenn Ihr Name oder Ihre gemeinsame Geschichte vergessen werden.
Praktizieren Sie radikale Akzeptanz: Der buddhistische Ansatz der Akzeptanz bedeutet nicht Resignation, sondern ein tiefes Verstehen der Realität, wie sie ist – nicht wie wir sie uns wünschen würden. Diese Haltung kann helfen, im gegenwärtigen Moment zu bleiben.
Suchen Sie Momente der Freude im Jetzt: Eine Klientin erzählte mir einmal: "Meine Mutter erkennt mich nicht mehr als ihre Tochter, aber sie freut sich jedes Mal, wenn ich komme – als wäre ich eine neue Freundin, die sie besucht." Diese Perspektive half ihr, neue Freude in der Beziehung zu finden.
Die Trauer um den "lebenden Verlust" verläuft nicht linear. Es gibt gute und schlechte Tage. An manchen Tagen werden Sie überrascht von einem kurzen Moment der Klarheit, an anderen Tagen fühlt der Verlust sich überwältigend an. All diese Gefühle sind Teil Ihres Weges.
Denken Sie daran: Selbstfürsorge ist in dieser Zeit nicht egoistisch, sondern notwendig. Nur wenn Sie Ihrer eigenen Trauer Raum geben, können Sie auch präsent sein für Ihren Angehörigen – in einer neuen, veränderten Beziehung, die trotz allem noch wertvolle Momente der Verbindung bereithält.

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