Tag 74: Die "Notfallkiste": Ablenkungsstrategien für herausfordernde Momente
- leyroutz
- 8. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
Als Demenzexpertin empfehle ich allen pflegenden Angehörigen die Erstellung einer "Notfallkiste" – einer Sammlung von Strategien und Materialien, die in schwierigen Situationen schnell zur Hand sind. Diese metaphorische (oder tatsächliche) Kiste kann ein wichtiges Werkzeug sein, um Eskalationen zu vermeiden und sowohl Ihnen als auch Ihrem Angehörigen zu helfen, schwierige Momente zu überstehen.
Was gehört in eine gut sortierte "Notfallkiste"?
1. Sensorische Beruhigungsmittel Diese sprechen die Sinne an und können bei Unruhe beruhigend wirken:
Ein weiches Kuschelkissen oder eine Decke mit unterschiedlichen Texturen
Lavendel- oder Vanillesäckchen (beruhigende Düfte)
Eine kleine Musikbox mit vertrauten Liedern aus der Jugendzeit des Angehörigen
"Fidget"-Objekte wie weiche Bälle oder Taschen mit verschiedenen Füllmaterialien
Die Wirksamkeit dieser Gegenstände basiert auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen: Sensorische Stimulation kann beruhigend wirken und vom Stresserleben ablenken. Eine meiner Patientinnen beruhigte sich immer sofort, wenn sie ihr altes Taschentuch mit dem vertrauten Parfüm ihrer Mutter riechen konnte.
2. Ablenkungstechniken
Fotoalben mit positiven Erinnerungen (achten Sie darauf, nur angenehme Bilder zu zeigen)
Einfache Puzzles oder Sortieraufgaben
Eine "Tätigkeitenbox" mit vertrauten Gegenständen aus dem früheren Berufs- oder Haushaltsalltag
Einfache Backrezepte oder andere strukturierte Aktivitäten
3. Kommunikationstechniken für den Notfall Notieren Sie sich bewährte Sätze oder Themen, die bei Ihrem Angehörigen positive Reaktionen auslösen. Manchmal reicht ein einfacher Satz wie "Möchtest du mir in der Küche helfen?" oder "Erzähl mir von deinem Lieblingsurlaubsort", um eine angespannte Situation zu entschärfen.
4. Bewegungsangebote Körperliche Aktivität kann angestaute Energie und Anspannung abbauen:
Ein kleiner Ball zum Werfen
Eine kurze Anleitung für einfache Dehnübungen im Sitzen
Eine Tanzmusik-CD mit Liedern aus der Jugendzeit
5. Liste mit Notfallkontakten Für Sie selbst: Eine Liste mit Telefonnummern von Personen, die kurzfristig einspringen können, wenn Sie eine Auszeit brauchen.
Wann sollten Sie zur "Notfallkiste" greifen?
Achten Sie auf frühe Warnzeichen wie erhöhte Unruhe, Zupfen an der Kleidung, wiederholtes Fragen oder Wandern. Je früher Sie intervenieren, desto erfolgreicher wird die Ablenkung sein.
Ein wichtiger Hinweis: Jeder Mensch mit Demenz ist einzigartig. Was bei einem wirkt, kann bei einem anderen wirkungslos bleiben. Beobachten Sie genau, welche Strategien bei Ihrem Angehörigen funktionieren, und passen Sie Ihre "Notfallkiste" entsprechend an.
Die "Notfallkiste" ist kein Allheilmittel, aber sie kann Ihnen in schwierigen Momenten Sicherheit geben und das Gefühl vermitteln, vorbereitet zu sein. Und denken Sie daran: Auch für Sie selbst darf etwas in der Kiste sein – vielleicht ein inspirierendes Zitat oder ein Foto, das Sie an Ihre eigene Stärke erinnert.

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