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Tag 84: Der emotionale Tanz: Umgang mit Stimmungsschwankungen aus psychologischer Sicht

  • leyroutz
  • vor 19 Stunden
  • 2 Min. Lesezeit

Als klinische Psychologin mit Schwerpunkt Gerontopsychiatrie erlebe ich in meinen Beratungsgesprächen immer wieder, wie belastend Stimmungsschwankungen von Menschen mit Demenz für ihre Angehörigen sein können. Die emotionale Achterbahnfahrt – vom liebevollen Moment zur plötzlichen Aggression oder tiefen Traurigkeit – stellt eine enorme psychische Herausforderung dar.


Zum grundlegenden Verständnis hilft ein Blick auf die neurologischen Veränderungen bei Demenz: Neben dem Gedächtnisverlust kommt es häufig auch zu Beeinträchtigungen im präfrontalen Kortex, der für die emotionale Regulation zuständig ist. Dies erklärt, warum Menschen mit Demenz ihre Gefühle oft ungefiltert ausdrücken und schneller von einer Stimmung in die andere wechseln.

Die Validation nach Naomi Feil, ein zentraler Ansatz in der Demenzbegleitung, lehrt uns einen wichtigen Grundsatz: Hinter jedem Verhalten steht ein Grundbedürfnis oder eine emotionale Botschaft. Diese zu entschlüsseln ist der Schlüssel zu einem konstruktiven Umgang mit Stimmungsschwankungen.


Aus psychologischer Sicht möchte ich einige konkrete Strategien vorschlagen:

1.     Emotionale Botschaften entschlüsseln: Wenn Ihr Angehöriger plötzlich wütend wird, könnte dies Ausdruck von Überforderung, nicht artikulierbarem Schmerz oder dem Gefühl des Kontrollverlusts sein. Statt mit Argumenten zu reagieren, versuchen Sie die emotionale Ebene anzusprechen: "Ich sehe, dass du sehr aufgebracht bist. Das muss schwer für dich sein."

2.     Muster erkennen: Führen Sie ein einfaches Tagebuch, um Auslöser für Stimmungsschwankungen zu identifizieren. Gibt es bestimmte Situationen, Tageszeiten oder Personen, die sie besonders triggern? Manchmal können kleine Anpassungen in der Umgebung oder im Tagesablauf bereits große Wirkung zeigen.

3.     Präventive Emotionsregulation: Menschen mit Demenz verlieren zunehmend die Fähigkeit, ihre Gefühle selbst zu regulieren. Sie können jedoch als Angehöriger unterstützend wirken, indem Sie potenziell überfordernde Situationen vermeiden und beruhigende Routinen etablieren.

4.     Eigene emotionale Abgrenzung: Besonders wichtig und oft vernachlässigt ist die emotionale Selbstfürsorge der Angehörigen. Nehmen Sie die Stimmungsschwankungen nicht persönlich. Der plötzliche Ausbruch oder die harsche Kritik gilt meist nicht Ihnen als Person, sondern ist Ausdruck einer inneren Not.


In meiner psychologischen Arbeit setze ich häufig auf das Konzept des "emotionalen Bankkontos": Jede positive Interaktion ist eine Einzahlung, jede schwierige Situation eine Abhebung. Durch bewusstes "Einzahlen" in guten Momenten – durch gemeinsame angenehme Aktivitäten, Berührung, Musik oder andere individuelle Freudequellen – schaffen Sie einen emotionalen Puffer für schwierigere Phasen.


Eine Klientin beschrieb mir ihre neue Herangehensweise so: "Ich habe gelernt, die Wutausbrüche meiner Mutter wie Gewitterstürme zu betrachten – sie kommen, sie sind intensiv, aber sie ziehen auch wieder vorüber. Ich versuche nicht mehr, den Sturm zu stoppen, sondern uns beide sicher hindurchzuführen."




 
 
 

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© 2021 Christine Leyroutz - Alle Fotos von Fotografie_Lebzelt

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