Tag 88: Wie koennten Sie heute besser mit Ihrer eigenen Ungeduld umgehen? Ungeduld als natuerliche Reaktion verstehen
- leyroutz
- vor 4 Tagen
- 2 Min. Lesezeit
Ungeduld in der Betreuung von Menschen mit Demenz ist keine charakterliche Schwäche, sondern eine natürliche Reaktion auf eine fordernde Situation. Sie entsteht oft aus einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren:
Die zeitliche Diskrepanz zwischen dem eigenen Tempo und dem verlangsamten Tempo des Menschen mit Demenz
Das wiederholte Erleben gleicher Situationen und Fragen (z.B. wenn dieselbe Frage innerhalb kurzer Zeit mehrfach gestellt wird)
Die emotionale Belastung durch den fortschreitenden Verlust der gemeinsamen Kommunikationsbasis
Physische Erschöpfung und chronischer Schlafmangel
Das Gefühl, zwischen verschiedenen Verpflichtungen aufgerieben zu werden.
Kitwood würde betonen, dass diese Emotionen nicht unterdrückt oder verleugnet werden sollten. Sie sind ein wichtiges Signal Ihres Systems, dass die Balance von Belastung und Erholung nicht mehr stimmt.
Tiefgreifende Strategien zur Geduldsförderung
1. Erwartungen anpassen durch kognitives Reframing:
Die Art, wie wir Situationen innerlich bewerten und interpretieren, beeinflusst maßgeblich unsere emotionalen Reaktionen. Durch bewusstes Umdeuten können wir Ungeduld reduzieren:
Statt "Er macht das absichtlich langsam" zu denken, versuchen Sie: "Seine Gehirnprozesse sind aufgrund der Erkrankung verlangsamt."
Statt "Wir werden nie rechtzeitig fertig" könnte der Gedanke lauten: "Zeit hat jetzt eine andere Bedeutung in unserem Leben."
Statt "Ich habe ihm das schon hundertmal erklärt" hilft: "Für ihn ist diese Frage jedes Mal neu und wichtig."
Diese Umdeutung kann durch regelmäßige Reflexionsübungen trainiert werden. Führen Sie ein "Gedankentagebuch", in dem Sie schwierige Situationen und Ihre automatischen Gedanken festhalten – und dann bewusst umformulieren.
2. Physiologische Regulation durch Körperarbeit:
Ungeduld manifestiert sich oft körperlich durch Muskelanspannung, flache Atmung und erhöhten Herzschlag. Gezielte körperliche Interventionen können unmittelbar regulierend wirken:
Entwickeln Sie eine persönliche "Notfall-Atemübung": Atmen Sie bewusst 4 Sekunden ein, halten Sie 7 Sekunden, atmen Sie 8 Sekunden aus – wiederholen Sie dies 3-5 Mal
Üben Sie progressive Muskelentspannung in verkürzter Form: Spannen Sie verschiedene Muskelgruppen für 5 Sekunden an und lassen Sie dann los
Nutzen Sie kinästhetische Anker: Berühren Sie z.B. mit dem Daumen Ihren Ringfinger und verbinden Sie diese Geste mental mit einem Gefühl von Ruhe und Geduld
Trinken Sie bewusst einen Schluck Wasser und spüren Sie, wie es durch Ihren Körper fließt
Besonders wirksam ist die Kombination aus bewusster Atmung und einer sanften Selbstberührung, etwa das Auflegen der Hand auf das Brustbein.
3. Perspektivwechsel durch Empathieübungen:
Kitwood ermutigt uns, immer wieder die Perspektive des Menschen mit Demenz einzunehmen. Dies kann durch gezielte Übungen gefördert werden:
Versuchen Sie für einen kurzen Zeitraum, mit Kopfhörern und eingeschränkter Sicht alltägliche Aufgaben zu bewältigen
Führen Sie ein "Demenz-Tagebuch", in dem Sie versuchen, Erlebnisse aus der Perspektive Ihres Angehörigen zu beschreiben
Stellen Sie sich vor jeder herausfordernden Situation kurz vor, wie die Welt aus den Augen Ihres Angehörigen aussehen könnte

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